Stand: 21.01.2022 12:04 Uhr
Global gesehen verzeichnet Islamic Banking hohe Wachstumsraten. Welche Besonderheiten weisen islamkonforme Bankgeschäfte auf und welchen Umfang hat der Markt in Deutschland?
Islamkonforme Bank- und Finanzgeschäfte ruhen im Wesentlichen auf drei Säulen. Zinsen dürfen weder genommen noch gezahlt werden, verboten sind auch Spekulationsgeschäfte und Glücksspiele. Offizielle Zahlen über den Umfang von Islamic Banking in Deutschland gibt es nicht.
KT-Bank: In Deutschland ein Nischendasein
2015 wurde die erste und bisher einzige islamische Vollbank zugelassen, die KT-Bank, Tochtergesellschaft der Kuveyt Türk Bank. Der Jurist und Ökonom Matthias Casper, Professor an der Uni Münster, ordnet die KT-Bank so ein: "Die hat, wenn man sich die Bilanzsummen anguckt, ungefähr die Größe einer mittleren Volks- und Raiffeisenbank oder einer Sparkasse. Daneben gibt es ein paar 'FinTechs' und ein paar Banken, die islamische Finanztransfergeschäfte anbieten, aber auch das ist kein Umfang, der sehr erheblich ist."
Auch die globale Banken- und Finanzkrise hat daran nichts geändert - obwohl im Islamic Banking ethische Grundsätze wichtig sind. Und die, so hatte man damals gehofft, würden das Geschäft beflügeln. Doch die Rechnung sei nicht aufgegangen, sagt Taoufik Bouhmidi. Der Berater für islamkonforme Investments in Frankfurt betreut nach eigenen Angaben 1.000 Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz: "Man hat sich die Zahlen angeschaut und gesagt: Wir haben in Deutschland knapp fünf Millionen Muslime. Wenn man das linear hochrechnet, dann müsste man bei gewissen Größenordnungen landen. So ist es aber nicht gekommen, es ist trotzdem im Bereich Nische geblieben. Es entwickelt sich aber stetig."
Konventionelle Banken sind für viele Muslime attraktiver
Auch Matthias Casper spricht von einer Nische. Dass sich daran zurzeit nicht viel ändern wird, dürfte vor allem zwei Gründe haben. Das Zinsverbot führt im Kreditgeschäft dazu, dass beispielsweise bei einer Autofinanzierung die Bank zunächst das Auto kauft und mit einem Aufschlag an den Kunden weiterverkauft: "Das heißt, dass dadurch ein gewisser Aufwand entsteht und somit die Konditionen dort tendenziell immer einen Ticken teurer sind als am konventionellen Markt."
Bei der aktuellen Nullzinspolitik, so Bouhmidi, seien die Angebote konventioneller Banken für viele Muslime attraktiver. Diese Banken sind auch eine ernstzunehmende Konkurrenz im ethisch-orientierten Anlagegeschäft. Fast jedes deutsche Institut bietet inzwischen Geldanlagen, die ausdrücklich nicht in die Waffen- oder Tabakindustrie, ins Porno- oder Glücksspielgeschäft investieren.
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Zurückhaltung bei Nichtmuslimen
Die KT-Bank wie auch Taoufik Bouhmidi geben an, auch nichtmuslimische Kunden zu haben. Sie zu werben, scheint allerdings nicht einfach zu sein: "Sobald das Wörtchen 'islamic' auftaucht, ändert sich die Mimik im Gesicht ein bisschen und es heißt dann: Unterstütze ich damit den IS? - um es überspitzt darzustellen. Weil die mediale Darstellung des Islam noch nicht allzu positiv ist und das wahrscheinlich viele Leute noch abhält, diesen Schritt zu machen."
Ein Rückfall in archaisches Recht?
Generelle Vorbehalte gegenüber Islamic Banking äußerte in einer ZDF-Dokumentation Susanne Schröter. Sie ist Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam und sieht das Geschäft mit muslimischen Kunden kritisch. Nur einer bestimmten Gruppe von Muslimen sei es überhaupt wichtig, sich an Halal-Vorschriften zu halten: "Ich würde sie mal vorsichtig als 'orthodox' bezeichnen, man könnte sie auch als 'fundamentalistisch' bezeichnen. Das sind diejenigen, die sagen, das Wichtigste für einen Moslem sei, sich an Normen zu halten, an das, was Gott im Koran niedergeschrieben hat, was der Prophet Mohammed vorgelebt hat. Das heißt, einen sehr altertümlichen Islam, also ein totalitäres System."
Den damit unterstellten Rückfall in archaisches religiöses Recht sieht der Ökonom und Jurist Matthias Casper nicht. Anders als manch andere islamische Vorschrift seien die ethischen Verbote im Islamic Banking nicht anstößig: "Wir beobachten im Bereich des Islamc Banking, dass sich da eine Vertragskultur entwickelt, die sich durchaus auch an große Firmen, an große Finanzprodukte adressiert, die mit internationalem Recht vereinbar ist. Dort achtet man nur darauf, dass diese drei Vorgaben, insbesondere das Zins- und das Spekulationsverbot, eingehalten werden. Deshalb ist das für mich kein Rückfall in ein archaisches Recht, sondern die Entwicklung eines modernen Vertragsrechts."
Hingegen sagt Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster: Islamic Banking habe eine schlechte Presse in der islamischen Welt: "Viele Muslime rezipieren das als ein Geschäftsmodell und man nennt das nur islamisch, um mit unseren Emotionen als Muslime Geschäfte zu machen. Aber das sind auch nur Banken wie alle andere auch."
Islamic Banking ist demnach auch in der muslimischen Community umstritten.
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Author: Christopher Ho
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